09.01.2018 16:23

Interview mit Kursleiterin Ursula Popp

Interview mit Ursula Popp

Es gibt sie: Alte weise Menschen, die ihre Lebenserfahrung für sich und andere einsetzen. Eine neue Kursreihe (Start 25.02.2018) richtet sich an Menschen, die sich auf den Weg machen wollen. Programmleiterin Ursula Popp gibt Einblick.

Frau Popp, Sie wollen Menschen am Ende ihrer Erwerbstätigkeit nochmals in einen Lernprozess schicken. Gönnen Sie ihnen den Ruhestand nicht? 
Gönnen oder nicht, das ist nicht die Frage, vielmehr geht es darum: Wie gestalte ich die Zeit nach meiner Erwerbstätigkeit? Wofür möchte ich meine Gesundheit, meine Kraft, meine Weitsicht einsetzen? Was lässt mein Herz höherschlagen? Sicher gehört da auch Entspannung dazu – ich habe Bekannte, die ein Jahr brauchten, um sich von den strengen letzten Arbeitsjahren zu erholen. Aber nur noch auf Reisli zu gehen ist nicht sinnvoll. Zumal wir dank besserer Gesundheit und Vitalität immer länger leben. Wir wollen bis weit ins Alter hinein aktiv an der Gesellschaft teilnehmen und nicht plötzlich zum alten Eisen gehören.

Ist das denn ein Thema für Sie? 
In der Schweiz herrscht eine Altersdiskriminierung, die mich immer wieder schockiert. In unserer jugendverliebten Gesellschaft traut man mir mit meinen 66 Jahren kaum noch etwas zu, ob es nun ums Smartphone oder meine Meinung geht. Anderseits kennen Stammesgemeinschaften den Ältestenrat, und im Englischen spricht man vom «Elder»: Menschen, die aus ihrer eigenen Weisheit heraus leben und angerufen werden, das Geschick der Gesellschaft mitzusteuern. Mir gefällt der Begriff Weisheitstätige, nachdem wir Auszubildende und Erwerbstätige waren,

Wie gelingt es, Weisheitstätige zu werden? 
In dem wir den grösseren Kontext im Blick haben und Aufmerksamkeit, Gelassenheit, Frieden schenken, im Kleinen wie im Grossen. Im Alter schöpft man aus der Lebenserfahrung und kann andere daran teilhaben lassen. Die Bedürfnisse werden mit zunehmendem Alter kleiner – wir haben die Dinge, die wir brauchen und müssen keine Kinder mehr durchbringen. Man kann sich vermehrt über das definieren, was man ist und nicht über das, was man hat.

Das tönt einfacher als es ist. 
Es ist ein Prozess. Zunächst geht es darum, das eigene Leben wertzuschätzen, Erfolge und Misserfolge zu betrachten, sich zu versöhnen. Und Abschied zu nehmen vom dem, was nicht mehr ist und vielleicht nie war. Als würde ich einen Kleiderschrank aufräumen: Was muss ich entsorgen, was kann ich weggeben, was behalte und trage ich mit Freude weiter? Ein sehr individueller Prozess aus der spirituellen Tiefe des Menschen, besonders dann, wenn es ums gelebte Leben geht. In unserer Kursreihe wird diesem Rückblick Zeit und Raum gegeben. Dann wenden wir uns den künftigen Aufgaben zu: Patientenverfügung, Testament, gesundheitlich-medizinische Aspekte. Wir setzen uns mit dem eigenen Tod und dem der Nächsten auseinander. Nach diesen Klärungen sind wir frei, eine sinngebende Zukunft anzudenken.

Kann man solche Fragen nicht besser allein im stillen Kämmerlein klären?
Das ist schwierig. In der Erwerbstätigkeit sind wir im steten Austausch mit anderen. Das fällt danach weg, Ältere sind oft allein mit ihren Themen. Umso wichtiger ist es, sich mit Menschen mit ähnlichen Themenstellungen zu verbinden. So kann man sich gegenseitig unterstützen, «ein gutes Leben» zu realisieren. Ein Begriff aus der Ethik: ein Leben, das gut ist für mich und für die Welt.

Informationsveranstaltung: 15.01.2018, 10:00 - 16:00. Wir laden Sie dazu gerne ein, Anmeldung: info@lassalle-haus.org oder Tel. +41 41 757 14 14.
Kursreihe in 4 Kursblöcken und 6 Vertiefungstagen, Start: 25.-28.02.2018

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