07.11.2018 17:47

«Zen hat sich für mich entschieden»

Zum Zen kam ich über Umwegen vor rund 16 Jahren: Nach der Geburt meiner Tochter hatte ich eine ziemliche Krise; mein Akupunktur-Arzt, ein Tibeter, machte mich auf den tibetischen Buddhismus neugierig, ich versuchte mich einzulesen, fand es aber schwierig. So machte ich mich auf die Suche nach einem Einführungskurs in die Zen-Meditation in meiner Nähe und kam zum Lassalle-Haus.  Von dem Moment an, als ich den Geruch der Strohmatten zum ersten Mal wahrnahm, der Gong hörte, wusste ich: das ist es. Von der ersten Stunde an hatte ich das Gefühl, ich hätte gar keine andere Wahl, als Zen zu praktizieren – es war klar: Das mache ich jetzt. Es ist so, als hätte sich Zen für mich entschieden und nicht umgekehrt.

Zen macht dünnhäutig
Ich sass auch regelmässig zuhause, und die Bedeutung der Meditation hat sich mit der Zeit verändert: Am Anfang war es eher wie ein Medikament oder eine Krücke. Danach wie der Schaum auf dem Cappuccino, der das Leben etwas schöner macht. Oft auch eine verunsichernde Sache, weil man immer mehr merkt dass scheinbar „Sicheres“ sich auflöst und verändert.

Seit vergangenem Januar gab es bei mir privat grosse Veränderungen, die mich ziemlich durchgeschüttelt haben. Seither verbindet sich Zen mit dem Leben, IST Leben. Beruf, Familie, Zen sind  keine getrennten Welten mehr. Ich habe gemerkt, dass mich Zen dünnhäutig macht, Verletzungen werden spürbarer, auch die von anderen Menschen. Alles wird offener, kein Konzept trägt mehr lange. Das ist wohl das, was sich Mitgefühl nennt.

Anfangs besuchte ich häufig Einführungskurse: ich hatte mittlerweile zwei kleine Kinder, da war ein Wochenende ideal von der Länge her. Inzwischen habe ich auch mehrere Sesshin erlebt und weiss: etwas tut immer weh. Ich habe das Gefühl, ich koche mich selber weich – oder ich werde geklopft wie ein Wiener Schnitzel. Beim Sitzen fallen die Schutzhüllen, man wird weicher, verletzlicher.  Das kann einerseits beängstigend sein, wenn diese gewohnten Hüllen wegfallen, es kann aber auch wunderschön sein, wenn man diese Verbundenheit mit allen und allem immer öfter spürt. Ein anderes Bild, das bei mir immer wieder hervorgerufen wird, ist das vom Gras: obwohl es schwach wirkt, überlebt es den stärksten Sturm, der auch grosse Bäume umwirft. So fühle ich mich beim Meditieren: gleichzeitig schwach und stark. Und manchmal schmerzt auch einfach nur ein Knie und die Gedanken hüpfen wie junge Hunde im Kreis.

Auf dem Boden bleiben
Lange Zeit habe ich Zen praktiziert ohne einen fixen Lehrer – ich besuchte mal hier, mal dort ein Zazenkai oder Sesshin, wo es mir gerade zeitlich passte. Doch auch im Zen kann man sich verlieren, und es ist gut, eine Aussensicht zu haben. Deshalb werde ich in nächster Zeit vermutlich Zen-Schülerin eines Lehrers im Lasalle-Haus – auch wenn es dazu noch keine offizielle Zeremonie gab. Es geht mir nicht darum, in einem Lehrer ein bewundernswertes Wesen in Schwarz zu haben, sondern jemanden, der mir gesunden Widerstand gibt und mir hilft, auf den Boden zu bleiben. Selbst Ratschläge an Zen-Neulinge zu geben finde ich schwierig, weil alle Wege und Menschen so verschieden sind. Vielleicht dies: Auf dem Boden bleiben, offen und bescheiden sein und den ganzen Weg, der mitunter einiges fordert, mit Entschlossenheit, Humor und Leichtigkeit gehen.

Im Lassalle-Haus fühle ich mich seit längerem zuhause – mir gefällt diese gewisse Nüchternheit, die hier herrscht. Ich schätze auch das Zusammenspiel der äusseren Struktur – ein Bildungshaus – mit der Gemeinschaft von Leuten, die hier leben und wirken. Das hat etwas Bodenständiges.
Die Verbindung mit dem Christentum, mit der ich früher nichts anfangen konnte, gefällt mir inzwischen; jetzt gehe ich auch gerne in einen Gottesdienst hier im Hause. Und ich liebe das leckere Essen und den herrlichen Garten!

Adriane B., Oktober 2018

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