26.03.2015 12:55

Teresa von Avila

Die Vida einer Suchenden

In diesen Tagen jährt sich der 500. Geburtstag von Teresa von Avila: Sie kam am 28. März 1515 im spanischen Kastilien zur Welt. Ein halbes Jahrtausend trennt uns von dieser gescheiten, zu grosser Freundschaft fähigen Frau, und bis heute spricht sie aus der Tiefe ihrer Werke mit ihrer Sehnsucht nach Freundschaft zu Gott, zu den Menschen, zu sich selbst.
Das Lassalle-Haus widmet Teresa von Avila vom 5.-8. November die Jubiläums-Tagung „Ein Genie der Freundschaft“ mit namhaften Referentinnen und Referenten. Wir freuen uns über alle, die daran teilnehmen und mehr erfahren wollen über die grosse Mystikerin, Visionärin, Reformerin und Ordensgründerin.
Aus Anlass des runden Geburtstages möchten wir Sie zudem einladen, mit Teresa durchs Jahr zu gehen. Sie finden jeden Monat an dieser Stelle einen Impuls dazu. Lernen wir von Teresa, werdet liebesfähige Menschen, ruft sie uns durch die Jahrhunderte zu. Wer war diese Frau, was trieb sie voran, wo kommt sie uns nahe? Dies der Bogen des ersten Impulses unseres Bildungsleiters Bruno Brantschen SJ.

Ihr äusserer Lebenskreis
Die Lebensdaten der Teresa von Avila sind schnell erzählt: Sie wird am 28. März 1515 in Kastilien (Zentralspanien) geboren. Vater Alonso Sánchez de Cepeda ist aus einer begüterten jüdischen Kaufmannsfamilie: Teresas Grossvater war 1485 als Jude zum Christentum übergetreten – Christ werden oder das Land verlassen war die Forderung der Zeit.

Teresa hat elf Geschwister, zwei aus einer ersten Ehe des Vaters. Als sie 13 ist, stirbt ihre Mutter Doña Beatriz de Ahumada, eine adlige Christin. Ihr Vater, der nun auch die zweite Ehefrau verloren hat, schickt Teresa mit 16 zur Erziehung ins Augustinerinnen-Kloster seines Städtchens Avila, 100 Kilometer nordwestlich von Madrid entfernt. Mit 20 tritt die gut aussehende, oft kränkliche junge Frau ins Karmelitinnen-Kloster von Avila ein und begibt sich auf eine aufreibende, spirituelle Suche. 19 Jahre nach Klostereintritt erlebt sie 1554 in der Fastenzeit eine tiefe Erschütterung vor einer Darstellung des gemarterten Christus – eine zweite Bekehrung, ein neues Leben, wie sie in ihrem Buch „Vida“ berichtet.
Sie kämpft für ihren Weg, will auch Wegbereiterin sein für andere. 1562 wird der mittlerweile 47-Jährigen schliesslich erlaubt, ihr erstes Kloster in Avila zu gründen – ihre Karmelitinnen-Gemeinschaft soll näher zum Ursprung des Ordens geführt werden und die eremitischen und gemeinschaftlichen Zeiten wahrer, echter leben. 1567 begegnet Teresa dem Karmeliten Juan de la Cruz (Johannes vom Kreuz, 1542-1591), ein schicksalhaftes Zusammentreffen zweier aussergewöhnlicher Persönlichkeiten. Gemeinsam arbeiten sie an der Karmel-Reform weiter und gründen an die 30 Klöster der „unbeschuhten kontemplativen Karmeliten“. Auf einer ihrer zahlreichen, strapaziösen Reisen stirbt Teresa 67-jährig am 4. Oktober 1582. Bereits 1622 wird sie  heilig gesprochen und 1970 als erste Frau der katholischen Kirche zur Kirchenlehrerin ernannt.  

Ihr innerer Lebenskreis
Teresa von Avila lässt uns in ihrem umfangreichen schriftlichen Werk hinter die Daten ihres Lebens blicken und eine facettenreiche Persönlichkeit entdecken, die nicht einfach zu fassen ist. Hilfreich sind dabei ihre Zitate, mit denen sie durch die Jahrhunderte mit uns spricht.
Schon als Kind ist Teresa fromm und fasziniert von Heiligenlegenden. Als Mädchen dann liest sie wie schon ihre Mutter leidenschaftlich gerne Ritterromane und lässt sich von einer auf Äusserlichkeiten bedachten Cousine beeinflussen. In ihren Schriften kritisiert sie später die Mädchenflausen ebenso wie die ersten Klosterjahre: „Mein Leben war unvollkommen und oberflächlich.“   
Sie ist eine Suchende, geht hart mit sich selber ins Gericht, lässt aber auch Lebenslust erkennen in Sätzen wie: „Wenn Rebhuhn dann Rebhuhn, wenn Fasten dann Fasten.“ Oder: „Tu deinem Leib des Öfteren etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen.“ Sie ist überzeugt: „Gott will, dass der Mensch seinen Spass hat.“
Gleichzeitig achtet sie streng auf die Befolgung der klösterlichen Ordensregeln. Und ringt mit sich selbst – mit Zweifeln auf ihrer spirituellen Suche, mit ihrem fragilen Körper. Mit 24 fällt sie in eine dreitägige todesähnliche Starre, gefolgt von Lähmungserscheinungen, vielleicht hervorgerufen durch eine schwere Infektion. Auch in reiferen Jahren kämpft sie um körperliche, wohl auch psychische Gesundheit. „Ich glaube, dass der Teufel nicht so viel Böses anrichtet wie unsere eigene Einbildungskraft und unsere schlechten Launen, zumal wenn Melancholie hinzukommt“, schreibt sie einmal.
Das autobiografische Buch „Vida“ zeugt vom Ringen, die erste Fassung im Jahr ihrer ersten Klostergründung fertig gestellt. Es entsteht auf Anweisung ihres Beichtvaters wie all ihre Werke, da es Frauen im damaligen Spanien nicht erlaubt ist, Bücher zu verfassen. Teresa schützt sich mit diesem Vorgehen, vielleicht auch mit diesem Arrangement geschickt vor Angriffen der Inquisitions-Behörde, die in Spanien besonders wütet. Unter diesem Aspekt ist ihr Buch „Vida“ besser zu verstehen – insbesondere, wenn sie sich immer wieder als arme, der Gnade Gottes bedürftige Sünderin bezeichnet. Teresa weiss die Balance zu wahren zwischen innerer Freiheit im Denken und Loyalität zu kirchlichen Autoritäten. Sie redet und korrespondiert auf Augenhöhe mit Persönlichkeiten ihrer Zeit, ist durchsetzungsstark und geht auch schwierigen Disputen nicht aus dem Weg. Nötige Eigenschaften, um als Frau Klöster gründen zu können.
Eine wichtige Stütze sind ihr Freundschaften, die Liebe an und für sich. „Ich meine, dass es der Liebe nicht möglich ist, irgendwo stehen zu bleiben. Wer nicht wächst, schrumpft“, sagt sie. Teresa  wächst, zeitlebens. „Genie der Freundschaft“, wird sie genannt. Die Gottesfreundschaft, von der sie im Innern durchdrungen ist, befähigt sie zu tiefer Zuneigung zu ihren Mitmenschen. Insbesondere auch zu Jerónimo Gracián (1545-1614), erster Provinzial des reformierten Ordens der Karmeliten, der zum engen Freund, Beichtvater, Berater wird.
Die 60-Jährige trifft Gracián, 30 Jahre jünger und mit Charisma gesegnet, während einer Andalusienreise. „Fast alle, die mit ihm zu tun haben, lieben ihn“, hält sie fest. Die beiden entwickeln ein inniges Verhältnis zueinander. „Diese Liebe zwischen der Mutter Teresa und mir schenkte mir Reinheit, Vergeistigung und Gottesliebe, und ihr bedeutete sie Trost und Erleichterung in allen ihren Leiden und Mühen“, schreibt er nach ihrem Tod und bekennt, dass „die Mutter Teresa mich zärtlich liebte und ich sie wie sonst nichts auf dieser Erde“. Während Teresas Lebzeit jedoch versucht Gracián, die tiefe Verbundenheit zu verbergen, um übler Nachrede vorzubeugen. Sie ist mutiger. „Ich kann es mir leisten, im Umgang mit Ihnen viel Liebe zu zeigen“, schreibt sie an ihn, „nicht alle Nonnen dürfen das“.
Zentrum ihres Lebens aber ist und bleibt Gott. „Gott und ich – wir zusammen sind immer die Mehrheit“, sagt sie. Teresas Weg zu Gott ist die Kontemplation, das innere Beten  – ein Gegenentwurf zu einem veräusserlichten Rezitieren von vorgegebenen Psalmen und Gebeten. Inneres Beten ist ihr ein zentrales Anliegen, ihr Buch „Wohnungen der Inneren Burg“ handelt davon – es ist für sie „nichts anderes als ein Gespräch mit einem Freund, mit dem wir oft und gern allein zusammenkommen, um mit ihm zu reden, weil er uns liebt.“
Immer wieder berichtet sie von Visionen, von tiefen Einsichten, vom stillen Dialog mit Gott. Sie zeigt dabei auch Humor. Einmal beklagt sie sich bei ihrem besten Freund über all die Widerwärtigkeiten in ihrem Leben. „So behandle ich meine Freunde“, habe der Herr geantwortet. „Darum hast Du auch nur so wenige“, habe sie erwidert.
Ihr letztes Wegstück raubt ihr noch einmal alle Kraft. Wohl im Endstadium eines Krebsleidens, gründet sie im Herbst 1582 im nordspanischen Burgos ein neues Kloster. Gracián ist zugegen und überlässt sie danach ihrem Schicksal. Teresa ist irritiert, enttäuscht,  zieht mit Ana de San Bartolomé (1549-1626) weiter ins 120 Kilometer südlich gelegene Kloster von Valladolid. Die Priorin, eine ihrer bevorzugten „Töchter“, zeigt sich ebenfalls unerwartet ablehnend. Teresa muss anschliessend auf Befehl des Provinzvikars einen Umweg nach Alba de Tormes zur Herzogin machen.
Sie wird Avila nicht mehr erreichen. Todkrank findet sie am 20. September Aufnahme im Kloster von Alba, doch willkommen ist sie nicht –  die Priorin bleibt dem Sterbebett fern. Im Kreis ihrer Getreuen stellt die „Madre Fundadora“ die erschütternde Frage: „Werden sie hier nicht wenigstens ein paar Schaufeln Erde für mich übrig haben?“ Ana, seit Jahren an ihrer Seite, pflegt sie bis zum Schluss und berichtet von der tiefen Verzückung, in die sie am Ende fällt. Teresa von Avila stirbt am Abend des 4. Oktober, ein Kreuz eng umklammert, das man ihr danach „nur mit grosser Gewalt aus den Händen nehmen“ kann.

Bruno Brantschen SJ, Bildungsleiter des Lassalle-Hauses

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