11.05.2020 14:37

Papst Franziskus lädt am 14.5.2020 zum gemeinsamen Gebet der Weltreligionen ein

«Mut zur Andersheit ist die Seele des Dialogs» (Papst Franziskus)

Interview mit Wilfried Dettling SJ, Bildungsleiter des Lassalle-Hauses.


Am 14. Mai ruft Papst Franziskus die Gläubigen aller Religionen zum gemeinsamen Beten, Fasten und zur Solidarität auf. Was hat den Papst dazu bewogen?

Wilfried Dettling SJ (WD): Der Aufruf des Papstes kommt zur richtigen Zeit, mitten im Monat Ramadan, dem Fastenmonat der Muslime, und in der Zeit der Corona-Pandemie. Gerade jetzt erkennen wir, dass wirkliches Leben nur gemeinsam und in Verantwortung miteinander gelebt werden kann und nicht in Abgrenzung und Selbstüberhöhung. Ich hoffe sehr, dass der Aufruf des Papstes von vielen Menschen gehört wird und dass wir sehr viele sein werden, die am 14. Mai an dem Gebetstag teilnehmen.


Als Bildungsleiter des Lassalle-Hauses sind Sie für den «Interreligiösen Dialog» zuständig. In diesem Zusammenhang verantworten Sie auch den Lehrgang «Spirituelle Theologie im interreligiösen Prozess». Der Aufruf des Papstes betrifft sozusagen Ihr Metier. Wie werden Sie den Tag verbringen?

WD: Das kann man so sagen. Die Einladung des Papstes fällt im Lassalle-Haus auf fruchtbaren Boden. Ich selbst werden den Tag vor allem mit Fasten und Beten verbringen, wie es der Papst empfiehlt, aber auch mit dem Lesen der Heiligen Schrift. Ein muslimischer Freund hat mir schon versichert, dass er am 14. Mai an mich denken wird und mich gebeten, dass ich für ihn beten soll. Sich im Gebet miteinander verbunden zu wissen, das sind für mich sehr starke und berührende Erfahrungen. Und das wird auch dieses Mal der Fall sein.


Sich miteinander verbunden wissen, einander zu achten und wertzuschätzen ist auch ein Aufruf diese Weltgebetstages. In welchem Zusammenhang steht die Initiative?

WD: Grundsätzlich steht sie in Verbindung mit dem Herzensanliegen des Papstes, den interreligiösen Dialog wirklich ernst zu nehmen und es nicht nur bei Absichtserklärungen zu belassen. Das ist auch der Grund, warum sich Franziskus an die Gläubigen aller Religionen wendet, allen voran an die Christen und Muslime. Im Hintergrund steht dabei der eindrückliche Besuch des Papstes auf der arabischen Halbinsel vor einem Jahr. Im Februar 2019 besuchte Franziskus die Vereinigten Arabischen Emirate. Im Anschluss an seinen Besuch wurde damals das sogenannte «Hohen Komitee der menschlichen Brüderlichkeit» (Higher Committee of Human Fraternity) ins Leben gerufen. Das Gremium hat seinen Sitz in Abu Dhabi, einem der sieben Emirate der Vereinigten Arabischen Emirate. Es besteht aus namhaften Religionsführern, Bildungsbeauftragten für Kultur und Religion und Einzelpersönlichkeiten aus der ganzen Welt. Das Gremium ist eingerichtet worden, nachdem der Papst und Ahmad Al-Tayyeb,  Großimam der Al-Azhar-Universität, beim Besuch in Abu Dhabi das richtungsweisende «Dokument über die Geschwisterlichkeit aller Menschen» unterzeichnet haben.


Werden noch andere dem Aufruf des Papstes folgen?

WD: Das hoffe ich sehr! Ebenso hoffe ich, dass es nicht bei diesem einen Mal bleiben wird, sondern dass dies nur der Anfang ist und wir in Zukunft einen Gebetstag der Weltreligionen jedes Jahr begehen. Dies ist auch ein Anliegen, das wir als Lassalle-Haus mit unserem Schwerpunkt der interreligiösen Verständigung wünschen und wofür wir uns stark machen.  Selbstverständlich wird an dem Gebetstag der Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, Kardinal Miguel Ángel Ayuso, teilnehmen. Darüber hinaus hat auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, seine Teilnahme zugesagt. Ebenso werden viele religiöse, soziale und politische Gruppen und Führungspersönlichkeiten daran teilnehmen. Dass so hochrangige Persönlichkeiten teilnehmen ist sehr wichtig, mindestens ebenso wichtig ist aber, dass das damit verbundene Anliegen von vielen, vielen Menschen in ihrem alltäglichen Kontext, in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Schule, in den Gemeinden unterstützt und mitgetragen wird.

Sie betonen immer wieder die konkrete Begegnung der Menschen. Warum ist gerade dieser Aspekt so wichtig?

WD: Die Antwort darauf ist einfach: Weil wir zuerst einmal Menschen sind. Es sind Menschen, die sich begegnen und nicht in erster Linie Religionen oder Institutionen. Diese Menschen mögen dann auch Christen, Muslime, Juden oder Menschen eines anderen religiösen Bekenntnisses oder kultureller Weltanschauung sein. Zuerst aber begegnen sich Menschen. In seiner Rede in Abu Dhabi hat es Franziskus auf den Punkt gebracht, als er betonte, dass der Weltfrieden nur dann gesichert werden kann, wenn wir «gemeinsam als eine einzige Familie die stürmischen Meere der Welt befahren.» Ausgangspunkt seiner Äusserung ist seine Überzeugung, «dass Gott der Ursprung der einen Menschheitsfamilie ist.» Es geht im interreligiösen Dialog also um den Menschen. Und so kann Papst Franziskus auch sagen:  «Entweder wir bauen die Zukunft gemeinsam oder es gibt keine Zukunft.»


Wo werden Sie den Gebetstag verbringen?

WD: Am liebsten würde ich den Tag zusammen mit den Menschen im Land der Vereinigten Arabischen Emiraten verbringen und zwar in Abu Dhabi. Von der arabischen Halbinsel, sozusagen dem Stammland des Islams, geht ja die Initiative aus. Der Weltgebetstag findet im islamischen Fastenmonat Ramadan statt. Die Vorstellung ist schon verlockend: am Abend in Abu Dhabi beim Iftar, dem Abendessen zum täglichen Fastenbrechen, gemeinsam mit den christlichen und muslimischen Schwestern und Brüdern vor Gott zu treten und miteinander für eine gerechte und friedliche Welt zu beten. Realistischerweise werde ich am 14. Mai aber wohl im Lassalle-Haus sein und mich im Gebet und in meinen Gedanken mit den Menschen verbinden, die an dem Weltgebetstag teilnehmen. Ich freue mich darauf; es wird ein kraftvoller Tag. Abu Dhabi kann warten.

Video: Aufruf für den 14. Mai 2020 - Gemeinsam Beten, Fasten und Werke der Nächstenliebe

Bild: Papst Franziskus und Ahmad Al-Tayyeb,  Grossimam der Al-Azhar-Universität, in Abu Dhabi (im Februar 2019)

 

Informationsveranstaltungen:
  • Freitag, 26.06.2020 | 18.15 – 20.15 Uhr, Katholische Kirche Zürich  (Centrum 66, neben aki), Hirschengraben 66, Zürich
  • Freitag, 23.10.2020 | 18.15 – 20.15 Uhr, Haus der Religionen, Europaplatz 1, Bern

 

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